In der heutigen Marketingwelt, in der die Kundenerwartungen steigen und Unternehmen mit immer mehr Kanälen konfrontiert werden, ist Marketing Automation zu einem beliebten Instrument geworden. Marketers erhoffen sich durch Automatisierung schnellere Reaktionen auf Äußerungen von Kundeninteressen, effizientere interne Prozesse und eine insgesamt gesteigerte Effektivität im Marketing.

Eine Studie von Salesforce (Salesforce FY23 Customer Success Metrics) gibt ihnen Recht, denn nennenswerte Verbesserungen in diesen Bereichen können tatsächlich erreicht werden. Na dann, los geht’s: Marketing Automation Software kaufen, implementieren, Leadprozesse konfigurieren und schon kommt der Erfolg von allein? Im Beitrag befassen wir uns mit dieser These, identifizieren Faktoren für den Erfolg von Marketing Automation und zeigen einen Weg auf, wie Marketingabteilungen Marketing Automation zur Erreichung ihrer gesteckten Ziele gestalten können.

Die Customer Journey als elementares Konzept hinter Marketing Automation

Marketing Automation – in der Projektpraxis nehmen wir wahr, dass dieser Begriff als eine Art Synonym für den technischen heiligen Gral der Leadgenerierung und -entwicklung gehandelt wird. Mit dem richtigen Tool kommen die Leads hoffentlich auf Knopfdruck. Und wenn nicht, war es das falsche Tool – also muss ein anderes her!  

Die gute Nachricht: Es ist mitunter nicht nötig, sich durch eine Vielzahl an Tools zu klicken. Denn die Grundlage für einen funktionieren Marketing Automation Prozess wird weit vor der Toolauswahl, nämlich mit der Konzeption von Customer Journeys, geschaffen.  

Folgende Aspekte sollten Sie dabei im Hinterkopf behalten:  

#1: Verzichten Sie darauf, Ihre Customer Journeys vorab bis ins kleinste Detail planen und validieren zu wollen.

Nehmen wir zur Veranschaulichung ein einfaches Beispiel: ein Gutschein als Belohnung für die Anmeldung zu einem Newsletter. Folgende Punkte im Rahmen der Customer Journey sollten aus unserer Sicht mindestens bedacht werden: 

  • Wertlogik der Gutscheine (% oder fester €-Wert, Mindestkaufbetrag, …) 
  • Generierung der Gutscheine (Art und Weise) 
  • Orte der Einlösung (Onlineshop, Filiale) 
  • Personalschulungen für Kundendienst und ggf. Filialpersonal 
  • Kennzahlen zur Überwachung (Erfolg, Missbrauch) 

Hätten Sie die gleichen Punkte genannt? Fehlt Ihnen ein zusätzlicher Aspekt, erwägen Sie zum Beispiel Einschränkungen der Gültigkeit für verschiedene Kundengruppen oder Situationen? Womit begründen Sie Ihre Entscheidung für die ausgewählten Aspekte, ohne potenziell wichtige Gruppen und Momente auszuschließen oder den heute weit verbreiteten Betrugsmaschen Tür und Tor zu öffnen?  

Im B2B-Marketing sind Gutscheine seltener ein Thema. Hier geht es vordergründig um wertvolles Wissen in Form von Whitepaper, Fallstudien oder Webinaren. Relevant sind deshalb andere Fragestellungen, die aber oft noch weniger eindeutig zu beantworten sind als in unserem Gutschein-Beispiel: 

  • Wem hilft der Inhalt? (Branchen, Abteilungen, Personengruppen) 
  • An welcher Stelle des Kaufprozesses ist der Inhalt relevant? (frühe Recherche, Auswahl möglicher Anbieter, Kaufentscheidung) 
  • Welche Daten benötige ich zur Qualifizierung des Interessenten? (Branchen, Abteilungen, Personengruppen) 
  • Was passiert danach? (Marketingprogramm, Vertriebskontakt, Tele Sales)  
  • Wer erstellt den Inhalt? (Marketing/PR, interne oder externe Fachexperten) 

Die zwei beschriebenen Beispiele haben eins gemeinsam: Sie basieren fast ausschließlich auf Annahmen zum (erwarteten) Kundenverhalten sowie internen Anforderungen. Ob sich beide Vorstellungen mit der Realität vertragen, lässt sich nur erahnen. Auch gut recherchierte Journeys, können daneben liegen – ein normaler Effekt, wenn Menschen für und mit Menschen arbeiten.  

Je feingranularer Sie also bei der Gestaltung der Customer Journey vorgehen, desto komplexer gestalten sich die nachfolgenden Marketing-Automation-Prozesse. In Kombination mit Fehlannahmen kann die Enttäuschung groß sein, weil die Ergebnisse bei hohem Aufwand ausbleiben. In extremen Fällen führt dies zu Situationen, in denen ein Prozess mehr Pfadoptionen hat als Teilnehmende innerhalb eines ganzen Jahres. Der Aufwand entsteht jedoch nicht nur in der Konzeption. Die Berücksichtigung komplexer Kriterien zu Beginn und im Verlauf von automatisierten Prozessen stellt auch hohe Anforderungen an die Verfügbarkeit und Qualität von Daten.

#2: Arbeiten Sie zur Fokussierung auf das Wesentliche mit einem Customer Journey Briefing.

Ein Customer Journey Briefing hilft nicht nur dabei, sich auf die wesentlichen Aspekte einer Kampagne zu fokussieren. Zudem stellt es sicher, dass sich Marketingverantwortliche bereits bei der Gestaltung eines Marketing-Automation-Prozesses Gedanken über die Erfolgsmessung machen.

Abbildung: Auszug aus dem Customer Journey Briefing-Template der Telekom MMS 

Schon der Einstieg in das in Auszügen abgebildete Kurzbriefing fordert entsprechende Einschätzungen und Beschreibungen. Diese bilden die Bewertungsgrundlage für die weitere Konzeption, Granularität und die spätere Beobachtung während der Kampagnenlaufzeit.

#3: Beobachten Sie Ihre Customer Journey kontinuierlich und lassen Sie Anpassungen regelmäßig einfließen.  

Beobachten Sie nach dem Start der Kampagne genau, wie sich Kunden in der Journey verhalten und schauen Sie auf die Ergebnisse. Es muss nicht gleich jeder Kontaktpunkt und Prozessschritt bis in die letzte Kennzahl hinein vollautomatisiert ausgewertet werden, um Schwachstellen und Optimierungspotenziale zu erkennen.  

Im ersten Schritt reichen schon ein paar grundlegende, regelmäßig überprüfte Kontrollpunkte: 

  • Anzahl der Teilnehmer:  
    Laufen weniger oder mehr Personen als erwartet in den Prozess? Sind es bedeutend zu viele, sollte Sie nach Zeichen von Missbrauch Ausschau halten. Sind es zu wenige, ist der Einstieg vielleicht zu schwierig oder das Angebot nicht attraktiv genug? 
  • Interaktionen in der Journey:  
    Öffnungen und Klicks geben Aufschluss über die Reaktion auf die Kommunikation. Werden Links in E-Mails nicht geklickt, kann dies auf Probleme bei Darstellung oder Inhalt und Formulierung hindeuten. Das gleiche gilt für Push-Nachrichten in Apps. Aber auch Klickpfade auf Websites können so interpretiert werden. 
  • Ergebnisse:  
    Passiert genau das, was Sie sich erhofft haben, als Sie die Journey entworfen und umgesetzt haben? Je nach Prozess können das kleine Schritte wie Registrierungen und angereicherte Kundenprofile sein. Es können aber auch wirtschaftliche Aspekte wie mehr Bestellungen/Beauftragungen und höhere Umsätze sein. Wie die Messung erfolgt, ist stark abhängig von der Zielstellung.

Marketing Automation Schritt für Schritt entwickeln!

Egal, ob Sie sich erstmalig mit Marketing Automation befassen oder Ihre bestehende Herangehensweise reflektieren möchten: Mit der nachfolgenden 6-Schritte-Anleitung geben wir Ihnen ein Vorgehen, was sich in unseren Kundenprojekten bewährt hat, an die Hand.

#1: Definieren Sie Ihre Ziele. 

Machen Sie sich immer bewusst, welches Ziel ein Marketing-Automation-Prozess erreichen soll. Ohne Ziel wird es schwer, Ergebnisse zu messen, den Prozess zu optimieren und damit verbundene Aufwände und Budgets zu rechtfertigen. 

#2: Fangen Sie mit einfachen Prozessen an.

Überlegen Sie zuerst, was der einfachste Pfad zur Erreichung Ihres Ziels ist. Dazu gehört auch die Frage, ob ein Prozess komplett automatisiert werden muss. Das ist nicht immer nötig. Es gilt die Regel: so einfach wie möglich, so komplex wie unbedingt erforderlich. 

#3: Lassen Sie exotische Randfälle außen vor.

Fokussieren Sie sich auf naheliegende einfache Annahmen. Stellen Sie sich bei jeder Ausnahme zum Regelfall die Frage, ob diese mit Daten beweisbar ist. Wenn nicht, handelt es sich meist um eine Annahme, die Sie erst durch die Realität validieren oder falsifizieren können. Notieren Sie sich Ihre Gedanken dazu und kommen Sie während der Beobachtung der Customer Journey wieder darauf zurück. 

#4: Setzen Sie zunächst den Basisprozess um. 

Ist der Kernprozess in seiner essenziellen Form definiert, kann er umgesetzt werden. Je einfacher der definierte Prozess, desto schneller und günstiger ist meist auch die Realisierung. Es kann sich anbieten, den Prozess im Rahmen einer Pilotierung zunächst als Proof of Concept für eine eingegrenzte Zielgruppe zu implementieren, um ihn mit Erkenntnissen aus dieser Testphase zu verfeinern und damit das Risko zu reduzieren.  

#5: Überwachen Sie die Ergebnisse und handeln Sie entsprechend. 

Prüfen Sie nach dem Livegang, wo Dinge verbessert werden können oder Probleme behoben werden müssen. Beobachten Sie während der ersten „Gehversuche“ und im laufenden Betrieb insbesondere, ob initiale Bedenken hinsichtlich Ausnahmen berechtigt waren. Handeln Sie, sobald es erforderlich ist. 

#6: Erhöhen Sie die Komplexität der Prozesse schrittweise und prüfen Sie notwendige Änderungen. 

Die Betonung hier liegt auf „schrittweise“. Stellen Sie sich vor, Sie haben den Prozess angepasst und auf einmal brechen die Zahlen ein! Wenn Sie alle erforderlichen oder gewünschten Änderungen auf einmal vornehmen, wird es schwierig zu erkennen, welche Veränderung welchen Effekt hervorgerufen hat. Deshalb macht es der graduelle Ausbau Ihrem Team leichter, die Prozesse unter Kontrolle zu behalten und beteiligte Teams, z.B. Vertrieb oder Kundenservice, im Boot zu behalten. Dies stärkt die Fähigkeit und den Willen zur Verbesserung bestehender und zur Entwicklung weiterer Prozesse.

Fazit: Marketing Automation weit mehr als ein Tool

Wie steht es also um unsere Aussage „Marketing Automation: Einmal aktiviert, läuft es wie von selbst“?  Sie ist und bleibt ein Mythos. Wie der Beitrag gezeigt hat, ist Marketing Automation weit mehr als ein Tool, das – einmal aktiviert – reihenweise Erträge bringt. Vielmehr beschreibt die Marketingautomatisierung eine Strategie und eine Vorgehensweise, in deren Mittelpunkt einerseits das Verständnis von Kundenverhalten steht, und andererseits die Fähigkeit, auf dieses Verhalten zu reagieren. Beide Fähigkeiten entwickeln sich durch permanentes Experimentieren, Beobachten und Optimieren.


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Digitaler Schub für Unternehmen

Studie zum Digitalisierungsgrad im B2B-Marketing


Stephan de Paly ist leidenschaftlicher Online-Marketer und unterstützt Unternehmen bei der Digitalisierung von Marketingprozessen. Seit 2010 begleitet er bei Telekom MMS Projekte rund um Website-Relaunches, E-Mail-Marketing sowie Marketing Automation. Inzwischen leitet er ein Fachteam, welches sich auf Marketing Clouds und Marketing Automation Plattformen konzentriert.