Juliane Voigt, promovierte Sozialwissenschaftlerin & Customer Research Expertin
Kristin Marschall, Content Design & Customer Research Expertin

Weiter geht es mit dem zweiten Teil unserer 7 B2B-Marketing-Mythen in Digitalisierungsprojekten. Heute im Fokus: Customer Research und wie Unternehmen von der systematischen Sammlung, Analyse und Interpretation von Daten über Kund*innen und Interessent*innen profitieren und mit geringem Aufwand Einblicke in Zielgruppen gewinnen. 

Warum ist Customer Research für B2B-Unternehmen so wichtig? 

Im B2B-Marketing ist Customer Research bisher wenig etabliert. Dies liegt vor allem daran, dass Marketingverantwortliche meinen, dass Research teuer, langwierig und häufig unnötig ist. Denn im B2B-Umfeld entscheidet am Ende doch immer der Einkauf, ob eine Investition getätigt wird oder nicht. Mit diesen Vorbehalten wollen wir aufräumen. Wir zeigen, dass sich Customer Research (fast) immer lohnt und in überschaubarer Zeit und mit angemessenem Kosten-Nutzen-Verhältnis realisierbar ist – wenn man einige Grundregeln beachtet. 

Der „Creating Epic Customer Experiences“-Report verdeutlicht, dass Business-Einkäufer*innen private Kundenerlebnisse auf Geschäftsprozesse übertragen. 78 Prozent der befragten Entscheidenden im Einkauf erwarten, dass Marken ehrlich und transparent sind. Zwei Drittel streben danach, mit umweltbewussten Marken zusammenzuarbeiten. 49 Prozent erwarten ein personalisiertes Kundenerlebnis. Wer diese abstrakten Wünsche in konkrete Bedürfnisse und Erwartungen an die Interaktion mit dem eigenen Unternehmen übersetzen kann, hat einen erheblichen Wettbewerbsvorteil im häufig überfüllten B2B-Markt.  

Was kann ich mit Customer Research erreichen? 

Customer Research ist eines der wichtigsten Hilfsmittel, um Präferenzen, Verhaltensweisen und Meinungen der B2B-Einkäufer*innen bzw. verschiedener B2B-Buying Center zugänglich zu machen. Daraus können Unternehmen fundierte Entscheidungen zur Verbesserung von Produkten, Prozessen, Marketingstrategien uvm. ableiten.  

Häufig genutzt wird Customer Research, um: 

  • Zufriedenheit mit Produkten, Services oder Support zu messen, 
  • Zielgruppen mit Blick auf Produktpräferenzen, Einkaufsverhalten und Kommunikationsbedürfnissen besser kennenzulernen, 
  • Nutzungshindernisse oder (Nicht)-Kaufgründe aufzudecken, 
  • neue Trends, Wachstumschancen und Geschäftsfelder zu identifizieren, 
  • die Usability digitaler Kontaktpunkte zu optimieren oder 
  • das Unternehmen und seine Leistungen mit seinen Kund*innen – und nicht an ihnen vorbei – weiterzuentwickeln. 

Zum Einsatz kommen dabei verschiedene Methoden wie Befragungen, Interviews, Fokusgruppen oder Usability-Tests. Die nachfolgende Grafik gibt einen Überblick, welche Methode sich für welche Fragestellung besonders gut eignet.  

Abbildung: Fragestellungen und geeignete Customer Research-Methoden

Sind Research-Projekte immer aufwändig und teuer?

Trotz der genannten Chancen scheuen viele Unternehmen davor zurück, regelmäßig Research-Projekte aufzusetzen. Zwei Argumente werden dabei häufig ins Feld geführt:  

  1. Customer Research ist aufwändig und damit teuer.  
  1. Es dauert zu lang, bis verwertbare Ergebnisse entstehen. 

Beide Argumente lassen sich entkräften, wenn die Auswahl und Umsetzung der Research-Maßnahmen sorgfältig und streng auf ein Erkenntnisziel ausgerichtet erfolgt. Will man z. B. Nutzungshürden in einem digitalen Angebotsprozess aufdecken, reichen laut Usability-Experten Jakob Nielsen in der Regel schon fünf Interviews oder Usability-Tests, um 80 Prozent der Probleme zu identifizieren. Von der Konzeption bis zur Auswertung solcher Projekte dauert es in der Regel nur wenige Tage. 

So fanden wir mithilfe von wenigen aber gezielt eingesetzten Interviews für einen Kunststoffproduzenten heraus, dass eine schnell auffindbare und vertrauenswürdige Landing-Page zum Produkt der entscheidende Faktor für die Kontaktaufnahme zum Lieferanten ist. Der angestrebte Ausbau der Akquise-Aktivitäten in beruflichen Netzwerken wie LinkedIn oder Xing erwies sich hingegen aus Kunden-Sicht als nicht relevant.   

Für Biotronik, einen Produzenten von Herzschrittmachern, deckten wir auf, dass die geplante Aufteilung der Website nicht den Bedürfnissen einer der Hauptzielgruppen entspricht. Denn auch die Patient*innen wünschten sich Zugang zu denselben Informationen wie das medizinische Fachpersonal. Auch hier bewahrte ein eher kleines Research-Projekt das Unternehmen vor weitreichenden Fehlentscheidungen.   

Welche technischen Lösungen gibt es, um Customer Research effizient in ein Unternehmen zu integrieren? 

Neben anlassbezogenen und einmaligen Projekten bieten technisch gestützte, permanente Feedback-Kanäle großes Potential, um Customer Research zu verstetigen. Kostenfrei oder für ein geringes Entgelt stehen Befragungstool, Feedbackformulare oder Session Recording-Lösungen zur Verfügung. Teilweise enthalten sie sogar schon Analyse-Dashboards und unterstützen bei der Ableitung von Optimierungspotentialen. Wer nach einer umfassenderen Lösung sucht, um Research in verschiedenen Kanälen zu betreiben oder Methoden effektiv zu kombinieren, sollte sich Enterprise-Lösungen für Experience Management wie Qualtrics, Medallia und InMoment genauer ansehen. Sie legen den Fokus auf kontinuierliches Zuhören, Weitergabe von Erkenntnissen und schnelle Anpassung an die sich ändernden Bedürfnisse und Erwartungen, um so Kund*innen, Mitarbeitenden und anderen Personen im Ökosystem eines Unternehmens einzigartige Erlebnisse zu bieten.  

Was sollte ich bei der Durchführung von Customer Research-Projekten beachten? 

Für kleine und große Research-Projekte gibt es vier wichtige Grundregeln, die immer eingehalten werden sollten: 

  1. Never rush conception!  
    Die in dieser Phase getroffenen Entscheidungen – z. B. über Fragetypen und Antwortmöglichkeiten – haben erheblichen Einfluss auf die Qualität der Ergebnisse. 
  1. Keep it short and simple!  
    Erheben Sie nur die Informationen, die Sie wirklich benötigen. Dadurch steigern Sie nicht nur die Motivation der Teilnehmenden, sondern können auch zielgerichtet auswerten. 
  1. Context matters!  
    Überlegen Sie, welche Kontextinformationen Sie benötigen, um Wünsche und Bedürfnisse einzuordnen. Soziodemografika, berufliche Kontexte oder die Transaktionshistorie helfen, Erkenntnisse einzuordnen und differenzierte Ableitungen zu treffen. 
  1. Reduce the bias! 
    Je objektiver die Erhebung, desto qualitativ hochwertiger sind die Ergebnisse. Wählen Sie insbesondere in qualitativen Studien die Teilnehmenden sorgfältig aus. 

Unser Fazit: 

Starten Sie mit kleinen Research-Projekten und integrieren Sie Customer Research schrittweise in Ihr Unternehmen. Nutzen Sie technische Lösungen, um Feedback zu sammeln, Ihr Angebot stetig auf Ihre Kund*innen auszurichten und so einzigartige Erlebnisse zu schaffen. Dafür braucht es häufig nicht viel mehr als ein offenes Ohr und Neugier für die eigene Kundschaft. Nicht umsonst sagte Zora Neale Hurston einmal: „Research is formalized curiosity. It is poking and prying with a purpose.” 


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Digitaler Schub für Unternehmen

Studie zum Digitalisierungsgrad im B2B-Marketing


Juliane Voigt, promovierte Sozialwissenschaftlerin & Customer Research Expertin 

Juliane Voigt, Data Driven Experience Consultant bei der Telekom MMS, widmet sich seit sechs Jahren in ihrer Arbeit den Themen Customer Research und Kundendatenanalyse. Ihr Expertenwissen hilft Unternehmen dabei, ein umfassendes Verständnis ihrer Zielgruppen zu erlangen und auf dieser Grundlage maßgeschneiderte Erlebnisse zu schaffen. 


Kristin Marschall, Content Design & Customer Research Expertin

Kristin Marschall ist Digital Marketing Consultant bei der Telekom MMS. Ihr fachlicher Fokus liegt auf der Erstellung und Optimierung von nutzerzentrierten Inhalten für unterschiedliche Branchen und digitale Kanäle. Als studierte Wirtschaftspsychologin schlägt ihr Herz für die Erforschung des menschlichen Erlebens und Handelns in ökonomischen Abläufen sowie aus gewonnenen Erkenntnissen Handlungen abzuleiten. 

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