Gastautor Bernhard Steimel, Founder Smarter Service Institut
In früheren Abschwüngen gingen die Starken gestärkt aus der Krise hervor und die Schwachen wurden schwächer. Der entscheidende Unterschied war die Widerstandsfähigkeit – die Fähigkeit, Schocks nicht nur zu absorbieren, sondern sie zum Aufbau von Wettbewerbsvorteilen zu nutzen.
Besonders die Pandemie hat Unternehmen gezeigt, wie wichtig Kundenorientierung, automatisierte Prozesse und eine robuste digitale Infrastruktur sind. Wie Sie in diesen Bereichen am besten handeln, welche Unternehmen bereits mit Best-Practices voran gehen und was Sie auf Ihrem Weg zur Business Resilience beachten sollten, erfahren Sie im neuen Trendbook.
In diesem Beitrag wollen wir einen Überblick darüber geben, was Unternehmen brauchen, um Business Resilience umzusetzen, welche Herausforderungen und Chancen dabei entstehen und warum genau jetzt der richtige Zeitpunkt ist, sich diesem Thema zu widmen.
Was bedeutet „Business Resilience“ konkret?
Im Wirtschaftsleben ist Resilienz die Fähigkeit eines Unternehmens, einen wirtschaftlichen Schock zu verkraften und eine Krise besser als die Konkurrenz zu bewältigen. Wir betrachten „Business Resilience” daher als die Fähigkeit eines Unternehmens, durch zyklische und strukturelle Veränderungen von Angebot und Nachfrage weiterhin Gewinn zu erwirtschaften. „Dafür müssen sie jederzeit auf Veränderungen reagieren können – auch auf eine Pandemie“, sagt Prof. Dr. Frank Schönefeld, CTO bei Telekom MMS. Organisationen müssen in solchen herausfordernden Zeiten in der Lage sein, ihre Arbeitsprozesse von Marketing bis Verkauf aufrechterhalten zu können.
Wichtig ist, Business Resilience als einen Prozess der Weiterentwicklung und nicht als Abschirmung gegen negative Einflüsse von außen zu verstehen.
Resilienz bringt in diesem Zusammenhang nicht nur mehr Stabilität in den Prozessen und mehr Zuverlässigkeit durch technologische Basis, sondern auch mehr Kundennutzen.
Warum ist es gerade jetzt relevant, widerstandsfähig zu sein?
Die Pandemie hat die Kluft zwischen denjenigen, die an der Spitze der Leistungskurve des wirtschaftlichen Gewinns stehen, und denjenigen, die am unteren Ende stehen, vergrößert – ein Trend, der sich in der Post-Pandemie-Ära wahrscheinlich noch beschleunigen wird. 2021 stellt also ein Jahr des Übergangs dar. So haben sich auch Digitalisierungstrends wie Re-Shoring, Hyperautomatisierung und digitale Zuverlässigkeit stark beschleunigt.
Ebenso ist es Unternehmen aber möglich, einen raschen Aufschwung nach der Krise zu erreichen. Doch dafür müssen sie ihre Lern- und Anpassungsfähigkeiten weiter ausbauen. Denn es liegt jetzt daran, Entscheidungen mehr denn je unter Risiko und Unsicherheit zu treffen.
Zudem müssen sich Unternehmen heutzutage schwierigeren Rahmenbedingungen stellen. Denn die Wirtschaftsrealität ist sprunghafter, komplexer und mehrdeutiger geworden. Diese Situation wird häufig als VUCA-Welt bezeichnet. Der Begriff VUCA ist ein Akronym für die englischen Wörter Volatility (= Volatilität), Uncertainty (Unsicherheit), Complexity (Komplexität) und Ambiguity (Mehrdeutigkeit).
Welche Merkmale besitzen resiliente Unternehmen?
Einige Volkswirtschaften – besonders Südkorea und Taiwan – haben die Coronakrise besser bewältigt als andere: Dies liegt zum einen daran, dass in diesen Ländern die Pandemie selbst wirkungsvoller bekämpft wurde als beispielsweise in den USA und vielen europäische Staaten. Auch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie halten sich in Taiwan in Grenzen – so wuchs deren Wirtschaft im Jahr 2020 um etwa fünf Prozent. Ein wichtiger Grund: Das Land hat sehr früh auf Digitalisierung gesetzt und besitzt zudem eine leistungsfähige Elektronik- und IT-Industrie. Sie verwandeln die pandemiebedingten Veränderungen in Chancen für die zukünftige Wertschöpfung.
Diese fünf Eigenschaften besitzen resiliente Unternehmen:
- Harder: Sie treffen frühzeitig harte Entscheidungen und schneiden alte Zöpfe ab.
- Faster: Sie bewegen sich schneller und gelangen so rasch wieder auf den Wachstumspfad.
- Stronger: Sie schränken ihre Investitionen nicht ein und reinvestieren.
- Smarter: Sie sind digitale Vorreiter, die frühzeitig auf digitale Technologien setzen.
- Empathischer: Sie verwirklichen einen stakeholderorientierten Blick auf Wirtschaft.
Wie wird Business Resilience erreicht? Die 3 Top-Handlungsfelder:
Resilienz von Unternehmen ist keine „angeborene“ Fähigkeit. Anpassungs- und Transformationsfähigkeit sind erlernbar. Dafür müssen Unternehmen ihre Strukturen und Prozesse auf den Prüfstand stellen und anhand wichtiger Handlungsfelder bearbeiten. Die drei Top-Handlungsfelder seien an dieser Stelle einmal vorgestellt:
Customer Experience: Unternehmen benötigen eine starke Kundenorientierung, um disruptiven Angreifern zu widerstehen, plötzliche Krisen zu bewältigen und digitale Services kundenfreundlich zu gestalten. Dies betrifft sowohl B2C- als auch B2B-Märkte. Dabei sollte es ihnen nicht ausschließlich um Sales gehen: Der Kunde sollte profitieren, größeren Nutzen erreichen und mehr Erfolg mit den Produkten haben.
Geschäftsprozesse: Unternehmen sind auf Unerwartetes vorbereitet, wenn die Prozesse schnell und anpassungsfähig sind. Doch Organisationen denken in vielen Fällen in Silos und haben lange eingefahrene Prozesse, die oft auch nicht für die digitale Welt gemacht sind. Der Weg hinaus läuft über Investitionen in Innovationen. Anschließend sollten die bestehenden Prozessstrukturen reaktionsfähig gemacht werden, so Prof. Dr. Schönefeld. Diese Fähigkeit beschreiben wir häufig mit Agilität.
Technologie: Eine robuste digitale Infrastruktur steigert die Widerstandsfähigkeit. Zur digitalen Zuverlässigkeit gehören strategisch geplante Datenarchitekturen, die aktiv gemanagt werden. Das kann mit Cloud- und Software-as-a-Service-Lösungen erreicht werden.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um die Anpassungsfähigkeit im Unternehmen weiter auszubauen?
Anpassungsfähigkeit in einer sich rasch wandelnden Umwelt ist für alle Unternehmen eine überlebensnotwendige strategische Frage. Sie müssen darauf Antworten finden, um dem Veränderungsdruck standzuhalten. Insgesamt sind es zehn Merkmale, die Unternehmen verwirklichen sollten.
- Einen sinnstiftenden Zweck als Kompass in unsicheren Zeiten etablieren
- Eine klare Werte-Agenda verwirklichen und bei der Kundenwertschöpfung ansetzen
- Eine Leistungskultur schaffen, die Talente anzieht
- Die Strukturen mit einer Netzwerk- Organisation radikal verflachen
- Schnell über digitale Wachstumsinitiativen entscheiden
- Die knappe Ressource der digitalen Talente fördern
- Eine Ökosystem-Sichtweise etablieren
- Eine schnell lernende Organisation verwirklichen
- Datenbewusstsein erlangen und eine Daten-architektur entwickeln
- Unternehmermut und Vertrauen in die eigene Lernfähigkeit haben
Vor welchen Herausforderungen können Unternehmen bei der Entwicklung einer Business Resilience-Strategie stehen?
Herkömmliche Unternehmen und Konzernen mit ihren Silos und Top-down-Strukturen fällt es tendenziell schwerer, die Wende zur Business Resilience zu erreichen, sagt Anne M. Schüler, Expertin für Customer Touchpoint Management und kundenzentrierte Unternehmensführung. Sie müssen ihre eigenen Strukturen ändern, wenn sie auf lange Sicht nicht vom Markt verschwinden wollen. Die hierarchische Organisation muss sich zu einer wandeln, die um einen Unternehmenszweck und die Kunden herum angeordnet organisiert ist, wie es das Orbit Modell von Schüler veranschaulicht. Das Management „umkreist” die Kunden, die ins Zentrum rücken. Auch die Mitarbeiter erhalten eine neue Rolle, sie sind nicht mehr „unten”, sondern gleichrangig mit Partnern und Management. Solche Wandlungsprozesse sind schwierig, deshalb sollten die Unternehmen sie nicht auf einmal sondern in Angriff nehmen.
Viele mittelständische Unternehmen haben zunächst die Aufgabe vor sich, ihre gesamte IT-Landschaft zu verändern, wie Dr. Frank Schönefeld, CTO der Telekom MMS, erzählt. Sie besitzen monolithische Architekturen und müssen in die Cloud und zu Software-as-a-Service-Lösungen überwechseln. In manchen Unternehmen steht diese Aufgabe gerade erst an. Parallel dazu müssen die Unternehmen ihre Geschäftsprozesse neu modellieren, denn in den meisten Fällen denken sie in Silos und haben lange eingefahrene Prozesse. Dadurch sind sie nicht besonders resilient, da diese Prozesse häufig gar nicht für die digitale Welt gemacht sind. Am Ende läuft das bei den meisten Unternehmen auf eine Kostenoptimierung hinaus, weil dann erst Mittel für Innovationen und Investitionen frei werden. Die wichtigste anschließende Aufgabe ist es, die existierenden Strukturen reaktionsfähig zu machen. Das ist eine Fähigkeit, die wir häufig mit Agilität umschreiben.
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Bernhard Steimel, Founder Smart Service Institut
Bernhard Steimel ist Inhaber von Mind Digital und begleitet Führungsteams dabei, Chancen in den digitalen Zukunftsmärkten frühzeitig zu erkennen und die digitale Transformation erfolgreich zu meistern. Er verfügt über langjährige Erfahrung in der Strategie- und Geschäftsentwicklung und hat in den vergangenen Jahren den technologischen Wandel in Studien-, Innovations- und Marktentwicklungsprojekten begleitet. Durch zahlreiche Publikationen und Vorträge gehört er zu den Vordenkern der digitalen Transformation und der heranbrechenden Serviceökonomie. Bernhard Steimel ist Herausgeber von Smarter-Service.com, Autor des Praxisleitfadens „Digitale Transformation“ sowie zahlreicher Trendstudien zu den Zukunftsmärkten der digitalen Wirtschaft.
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