An Tag 3 bin ich, aufgrund der Erfahrung der Vortage, extra früh aufgebrochen, um noch einen Platz in Methodisch Inkorrekt zu bekommen. Leider musste ich bei meiner Ankunft feststellen, dass sich die Schlange schon durch die halbe Messehalle gestaut hatte und das mehr als eine Stunde vor dem Vortrag. Also habe ich erstmal beschlossen noch ein wenig herum zu schlendern.  Dabei habe ich unter anderem die Menge an verschiedenen 3D Druckern und Lasergravurmaschinen bewundert. Vor allem die Lasergravur war sehr faszinierend. Man konnte auf mitgebrachte Gegenstände verschiedene Motive aufbringen. Als allerdings die Frage: “Braucht man da nicht eine Schutzbrille?”,  mit einem Schulterzucken und einem: “Gute Frage, darüber habe ich noch nicht nachgedacht”, beantwortet wurde, stellte sich im Publikum ein gewisser Respekt gegenüber diesem Gerät ein. Nachdem ich noch ein wenig mit den Leuten geredet hatte, beschloss ich mein Glück beim Vortrag Methodisch Inkorrekt nochmal zu versuchen. In der Zwischenzeit hatte sich die Schlange fast vollständig aufgelöst, und es war noch ein Platz für mich frei.

Natürlich war ich sehr gespannt auf die Experimente, die dann auch in gewohnt lustiger Form präsentiert wurden. Zuerst gab es aber eine Verzögerung und mir ist klar geworden, warum noch ein Platz frei war: Der Vortrag war so früh angesetzt, dass viele der Besucher noch in den Straßenbahnen fest saßen. Und auf diese wurde natürlich in guter kollegialer Hacker Manier gewartet. (Und damit zeigt sich mal wieder, dass alle Events vor 12 Uhr mit Russisch Roulette vergleichbar sind, da wir halt Nachtwesen sind.) Nach der Ansage hatte ich auch kurze Zeit Angst um den Webserver der Leipziger Verkehrsbetriebe, da Rache ja bekanntlich kalt serviert wird und süß schmeckt.

Nach etwas Warten ging dann auch der Vortag los. Die erste Frage: “Wer ist denn schon wach?”, wurde in Anbetracht dessen, dass es gerade einmal 11:30 Uhr war,  von der Mehrheit des Publikums negativ beantwortet. Anscheinend haben viele, die vor der Bahn da waren, einfach durchgemacht.  Es ging dann langsam inhaltlich mit dem Vortag los. Begrüßt wurden wir von einem Video mit einer Neu-Vertonung von “Zurück in die Zukunft”, das hat schon mal einige aufgeweckt. Es ging dann direkt weiter mit einigen Themen vom IG Nobelpreis. Themen waren Forschungsergebnisse, die einen zuerst zum Lachen und danach zum Nachdenken bringen. Für das erste praktische Experiment wurde etwas Blut benötigt, was sich als schwieriger herausstellte als erwartet. Trotz funktionierendem Equipment konnte kaum Blut abgezapft werden. Selbst ein Sanitäter, der zur Hilfe kam, konnte nicht viel bewirken. Es wurde mit den kläglichen Tröpfchen Blut und etwas Wasserstoffperoxid versucht den gewünschten Effekt zu demonstrieren. Als nächstes haben die Vortragenden einen Ausblick auf die aktuelle Schnarchforschung gegeben und erklärten, was das Didgeridoo spielen damit zu tun hat. Da wir schon beim Thema waren, wurden dann noch verschiedenen Schnarch-Stopper aus China ausprobiert, was sehr lustig aussah. Es blieb lustig, mit dem Versuch die Frage zu beantworten: “Sind Katzen Flüssigkeiten?”. Den krönenden Abschluss bildete ein Heiratsantrag auf der Bühne, begleitet von einem tosenden Applaus.

Als Nächstes kam einer der Vorträge, auf den ich mich ganz besonders gefreut habe. Fefe hat mit dem Titel “Antipatterns und Missverständnisse in der Softwareentwicklung” schon einen Nerv getroffen. Während des Vortrages hat er auch nicht enttäuscht: In bekannter Manier brachte er alle Punkte lustig und informativ rüber. Angefangen hat er mit einem Ausflug in das Universum der Versionsverwaltung und was man darin lieber nicht machen sollte. Das sind z. B. Dinge wie irgendwelche großen Binaries einchecken, versionierte Ordner ablegen oder große Patchsets, die ewig vor sich hin gammeln bevor sie integriert werden. Besser sollte man Patches sehr klein halten und ständig in deinen Master Branch integrieren außerdem sollte man in der Versionskontrolle auch mal etwas löschen und ersetzen, genau dafür ist sie ja schließlich da!
Weiter ging es mit Buildsystemen. Vor allem im agilen Umfeld sind stabile und deterministische Builds sehr wichtig und bilden die Grundlage für das Arbeiten. Dabei sollte man bei Abhängigkeiten keine Versionen hart codieren, sondern immer die aktuellste Version nehmen. Dadurch fällt sehr schnell auf, wenn eine Abhängigkeit aktualisiert wird und Probleme verursacht. An diesem Punkt ging es dann über zu Docker, aber ganz ohne Bashing! Denn Docker ist an sich ein nützliches Tool, wenn man es richtig einsetzt und nicht einfach nur alle Nachteile mitnimmt. Die Grundidee ist, dass man in seinem GIT alle Versionen des Codes hat, der Buildserver daraus dann alle Artefakte bauen und diese in Images ohne weitere Abhängigkeiten bereitstellen kann. Hieran schloss sich nahtlos das Thema Testing an, mit besonderem Augenmerk auf Unit-Tests, diese sollten vor allem mit dem Ziel geschrieben werden, dass bei Änderungen gerüft werden kann, ob man etwas kaputt gemacht hat. Sie sollen also die Angst nehmen, an Legacy Code zu arbeiten. Dabei sollten auch negative Tests, die die Fehlerbehandlung prüfen, angedacht werden.

Das nächste Thema behandelte Gegebenheiten moderner Arbeitsplätze, also das Großraumbüro. Das ist für Entwickler eine absolut schreckliche Idee. Man wird mit Kommunikation überschüttet, obwohl man eigentlich Ruhe braucht und sich konzentrieren muss. Auch der aktuelle Slack Trend hat den gleichen Effekt, ständig blinkt irgendwas und lenkt einen von der eigentlichen Aufgabe ab. Interessant war die Betrachtung zu Meetings. Diese sollten am besten komplett gestrichen werden und lieber auf 1-zu-1 Meetings umgestellt werden. Das fußt hauptsächlich auf der Beobachtung, dass in einem größeren Meeting selten alle Teilnehmer mitmachen. Meist sind es 2-3 Kollegen, die aktiv sind, sich äußern und an einem Thema arbeiten, der Rest hört zu, oder wartet darauf, dass sein Thema an der Reihe ist. Daran anknüpfend ging es zur Kultur. Die viel beredete Fehlerkultur stand dabei im Mittelpunkt. Zusammen mit sinnvollem Feedback sollte es Fehler-Findern möglichst einfach gemacht werden von Fehlern zu berichten, damit sie motiviert bleiben und das Gefundene tatsächlich melden. Der wichtige Punkt dabei ist, dass der Verursacher, nicht der Finder, den Fehler fixen muss. Nur so lernt er etwas dabei und wird den gleichen Fehler – hoffentlich – nicht nochmal machen. Wenn Bugfixing in eine andere Abteilung (oder an den Betrieb) ausgelagert wird, ist das die denkbar schlechteste Lösung.
Zum Abschluss gab es noch ein paar gute Tipps für Entwickler selbst. Lasst euch keine Architektur vom Management vorgeben! Das bringt keinen Mehrwert im Projekt, entweder ist die vorgegebene Entscheidung sowieso schon offensichtlich, oder ihr schränkt euch unnötig ein. Außerdem ist Lernen im Projekt immer negativ und wir alle müssen uns die Zeit einfordern, um etwas zu lernen, während der Arbeitszeit! Der Druck kommt dabei von uns selbst, wir sollten uns nicht vom Management zu Überstunden nötigen lassen. Wenn ein Projekt falsch geplant ist, dann muss es auch mal einen Verzug geben. Abgeschlossen hat er mit dem schönen Satz “Wer wartet, bis der Boss einem Zeit gibt, wartet ewig”. Alles in allem war es ein mit Informationen vollgepackter Talk, den man sicherlich mehrfach schauen kann.

Nach diesen ganzen Informationen wollte ich mir etwas zu Cryptocurrencies und Smart Contracts ansehen. Da kam mir der Vortrag von Zooko, einem der Mitbegründer von Zcash, gerade recht. Es sprach über die Historie und Entwicklung des gesamten Themas. Prinzipiell sind diese aktuellen Hype Technologien eigentlich nur die Anwendung von sehr lange bekannten Konzepten wie Signaturen, Hashes und Zero-Knowledge Proofs. Bitcoin war dabei ein wichtiger Meilenstein, weil man damit bewiesen hat, dass diese Art von Technologie funktionieren kann. Und wofür haben wir es bisher genutzt? – Für Glücksspiel und Spekulation.
Der eigentliche Zweck, die Verwendung als Zahlungsmittel, verschwindet absolut unter den anderen Aktivitäten wie z.B. ICOs und dem Horden von Coins (“HODL“) . Dennoch wurden durch die Blockchain viele neue Möglichkeiten eröffnet. Aber es gibt auch noch viele offene Probleme, wie z. B. die Skalierung und die Sicherheit in der Blockchain. Trotz diesen Probleme hat sich, neben Bitcoin, vor allem Etherium als Platzhirsch etabliert. Das liegt sicherlich an der Entwicklerfreundlichkeit und an den Smart Contracts, welche einen hohen Netzwerkeffekt erzeugen. Abschließend bleibt aber noch immer die Frage im Raum: Haben wir da etwas Sinnvolles erschaffen oder ist alles nur Hype?

Weitergehen sollte es mit der Vorstellung “Inside AFD”, aber leider war sie sehr schnell voll besetzt. Und leider gibt es davon auch keine Aufzeichnung. Stattdessen habe ich mich dann in “Resilienced Kryptoraphie” gesetzt und gehofft, dass ich es zumindest ein wenig verstehe. Und ich wurde positiv überrascht: Der Vortragende hat es geschafft relativ tief ins Thema einzutauchen, aber dennoch in großen Teilen verständlich zu bleiben. Der Vortrag war mit konkreten Empfehlungen vor allem praktisch ausgerichtet. Schön war schon die Eröffnung, in der darauf hingewiesen wurde, dass Security by Namedropping nicht funktioniert. So etwas wie: “wir sind sicher durch AES”, ist höchstens ein Marketingslogan und keine technische Beobachtung. Es folgten konkrete Implementierungen und Algorithmen. Das Hauptaugenmerk lag dabei auf Implementierungs- und Nutzungsfehlern. Anfangs dachte ich, es geht um die altbekannten Unterschiede zwischen EBC und CBC Modi, aber es wurde doch noch um einiges interessanter. Der Vortragende hat Angriffe auf den Counter Modus vorgestellt, die auch den GCM Modus betreffen. Eine Variante, von der ich immer dachte, sie sei sicher. Aber leider lag ich damit weit daneben. Es gibt hier sehr viele subtile und unerwartete Möglichkeiten, wie etwas schiefgehen kann. Grundsätzlich hängt der Erfolg bei der Verschlüsselung immer daran, dass eine anfangs gewählte zufällige Zahl (Nonce) niemals wieder verwendet werden darf. Die Lösung dafür bieten sogenannte Authenticated Encryption Schemes. Wenn man neue Systeme konzipiert, sollte man darauf achten, auch diese zu unterstützen. Grundsätzlich sollte man, wenn man in irgendeiner Form Kryptografie implementiert, immer mit Kryptografieforschern reden. Die Lehrbuch Versionen von so gut wie allen Algorithmen sind nicht gegen Angriffe gehärtet und müssen erweitert werden, damit sie in der “realen Welt” sicher funktionieren.
Das war dann auch die Überleitung zum Blockchain bzw. Bitcoin Thema des Vortrages. Denn, obwohl Bitcoin sehr gut konzeptioniert ist, enthält es aus kryptografischer Sicht einige Mängel. So hätte z. B. der Proof-of-Work Algorithmus durch die Änderung nur eines Parameters so gestaltet werden können, dass das Ganze ASIC und GPU Mining unrentabel wäre und einzig CPU Mining betrieben werden könnte. Das hätte die aktuelle massive Umweltsauerei durch den hohen Stromverbrauch vermieden! In dem Zusammenhang kam auch ein Einwurf, dass Proof-of-Work eigentlich nicht optimal ist, schöner wäre ein Proof-of-useful-Work. Damit würde man zumindest ein Problem lösen und nicht einfach nur Energie verschwenden. Zum Abschluss kam dann noch ein Appell:

„Gute Kryptografie muss immer offen liegen, sowohl die Spezifikation, als auch die Implementierung muss unabhängig nachvollziehbar sein! Dabei muss es nicht immer gleich eine komplette Open-Source Lizenz sein, offen liegender Quelltext der erforschbar ist, reicht aus.“

Als Nächstes habe ich mich der Frage “Are all BSDs created equal?” gewidmet. Der Vortrag hat das Argument aufgegriffen, dass BSD grundsätzlich besser und sicherer als Linux ist. Obwohl Argument in diesem Zusammenhang etwas milde ausgedrückt ist, es ist an vielen Stellen schon ein echter Flamewar oder Religionskrieg. Dabei liegt, wenn man sich die reinen Zahlen (CVEs, Advisories) ansieht, BSD wirklich erkennbar vor Linux, was die Sicherheit angeht. Aber der Vergleich hinkt ein wenig, da Linux eine viel höhere Verbreitung und einen ganzen Zoo von Treibern und Kernelerweiterungen hat. Also musste zuerst die Frage geklärt werden, wie man diese beiden Kontrahenten denn objektiv vergleichen kann. Der Vortragende hat sich dabei für ein Code Audit entschieden und die Kernels dann nach ihrer Codequalität, Fehleranzahl und Art der Fehler bewertet. Diese wurden teilweise im Vortrag präsentiert, wer sich für Kernel Interna interessiert, sollte sich das unbedingt ansehen. Als generelles Fazit kann man sagen, alle haben Bugs, und alle haben ähnliche Bugs, es gibt keinen signifikaten Unterschied zwischen den Systemen an sich. Interessant war aber, wie die einzelnen Distributionen reagiert haben. Die OpenBSD Entwickler haben sehr gut und schnell auf die eingereichten Bugreports reagiert. Ähnlich sah es bei NetBSD aus, die mehrere Fixes sogar über Nacht implementiert hatten. Eher schlecht sah es bei FreeBSD aus. Abschließend konnte man vor allem, den auf Sicherheit bedachten, OpenBSD eine sehr gute Codequalität bescheinigen, die im Vergleich hervorstechend war.

Den Abschluss des Tages wollte ich wieder etwas lockerer gestalten und habe mich in den Vortrag vom Zentrum für politische Schönheit gesetzt. Der Titel: “Tiger, Drucker und ein Mahnmal“, war schon mal interessant. Und es ging auch schon sehr geladen los. Zuerst mit etwas AFD und generellem Rechten-Bashing. Dann zu Aktionen für und mit Flüchtlingen. Die Details kann man gerne im Vortrag anschauen, grundlegend ging es den Organisatoren darum, Aufmerksamkeit für das Massensterben auf Fluchtwegen zu erzeugen. Das Ganze war augenöffnend und erschreckend zugleich.
Weiter ging es mit einer Flugblattaktion in der Türkei, diese fand ich vor allem von der technischen Seite interessant. Es wurde eine Person, zusammen mit einem Drucker in die Türkei geschickt und der Drucker dann in einem Hotelfenster aufgebaut, um dann zeitgesteuert die Flugblätter zu drucken. Der große abschließende Block des Vortrages drehte sich um Bernd Höcke und das “Mahnmal der Schande”, welches in seinem Vorgarten nachgebaut wurde. Obwohl die Geschichte sehr interessant war, habe ich mich doch zwischenzeitlich gefragt, ob das nicht eventuell etwas über die Stränge schlägt. Aber das hier zu beantworten, würde wohl zu politisch werden.

So ging ein langer 3. Tag zu Ende und ich habe mir dann eine ruhige Ecke gesucht, in der ich mit ein paar Kollegen und Freunden noch etwas getrunken und ein wenig diskutiert habe. Danach bin ich zufrieden wieder nach Hause gegangen und habe mich schon auf den nächsten und leider auch letzten Tag gefreut.

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