Agiles Projektvorgehen ist beliebter denn je und bringt einige Vorteile mit sich. Doch es gibt noch einen weiteren Punkt, den Sie unbedingt berücksichtigen müssen: Das regelmäßige Durchführen von Retrospektiven trägt maßgeblich zu Ihrem Erfolg bei!
„Warum die kostbare Zeit der Entwickler dafür vergeuden, dass man sich mit dem vergangenen Sprint beschäftigt? Da lohnt es sich doch eher, die Ressourcen in die Implementierung von den nächsten Business-Features zu investieren.“ So oder so ähnlich sind wohl die Gedanken in den Teams, bei denen die Retro nur sehr oberflächlich oder auch gar nicht durchgeführt wird. Dabei wird hier ein wesentliches Prinzip aus dem agilen Manifest außer Acht gelassen: Das gilt eben nicht nur für Meetings, wie das Daily Scrum, das Sprint Planning oder das Sprint Review, sondern eben auch – oder auch im besonderen Maße – für die Retro.
Einem Scrum Master liegt die Retro schon allein wegen seines Rollenverständnisses am Herzen: Hier hat er die Möglichkeit, den Ursachen, die die Effizienz seines Teams negativ beeinflussen, auf den Grund zu gehen und mit dem Team gemeinsam Verbesserungsvorschläge herauszuarbeiten. Selbst ein Team, das schon gut zusammenarbeitet, kann noch besser werden, wenn man Zeit in eine Retro investiert. Aber es ist gar nicht so einfach, eine Retro erfolgreich durchzuführen.
Der folgende Artikel gibt Ihnen Tipps, damit Ihre Retro zum vollen Erfolg wird:
Eine gute Moderation ist das A&O
Natürlich: Im einfachsten Fall ist der Scrum Master der Moderator. Aber auch sonst gilt: Die Rollen Teilnehmer und Moderator sollten nicht vermischt werden. Im Zweifelsfall sollte man sich Unterstützung für die Moderation außerhalb des Teams einholen, damit alle gleichberechtigt in die Diskussion einsteigen können.
Beim Moderator liegen Aufgaben wie die Vor- und Nachbereitung der Retro, Time Keeping und Einschreiten in Diskussionen, falls diese nicht mehr zielgerichtet sind oder den Rahmen sprengen. Und er sollte sich natürlich auch um die Einhaltung der weiteren Tipps kümmern, die hier folgen.
Ein bisschen Spaß muss sein
Das Schlimmste, was passieren kann: Die Retro wird als eine Pflichtveranstaltung wahrgenommen, die einem von der Arbeit abhält. Um dem entgegenzuwirken, sollte die Retro in einer aufgelockerten Atmosphäre stattfinden. Wichtig ist, dass sich das Team wohl fühlt und die Retro in einem Rahmen stattfindet, in der jeder seine Meinung frei äußern kann.
Teams, die mit Retros bereits vertraut sind, haben hier sicherlich weniger Schwierigkeiten. Bei Teams, die noch nicht viel Erfahrungen mit Retrospektiven gemacht haben, sollte man auf eine Agenda nicht verzichten und gleich zu Beginn die Regeln erläutern.
Die einfachste Methode, um die Retro ein wenig aufzulockern ist, mit einem kurzen Warm Up zu starten. So kann sich jeder von der vorherigen Aufgabe lösen und sich gedanklich auf die Retro einlassen. Dadurch wird ein offenes Gesprächsklima geschaffen, was insbesondere für Teams hilfreich ist, die noch nicht so lange zusammenarbeiten und sich mit gegenseitigem Feedback noch zurückhalten.
Transparenz und Vertrauen
Besonders bei Teams, bei denen die Product Owner Rolle vom Auftraggeber übernommen wird, kommt es immer wieder vor, dass der Product Owner von der Retro ausgeschlossen wird. Warum? Das Team hat Hemmungen, Probleme vor dem Auftraggeber transparent zu machen. Zum einen widerspricht das dem Prinzip der Transparenz. Zum anderen offenbart sich hier ein sehr schwerwiegendes Kernproblem: Der Product Owner wird nicht als Teil des Teams wahrgenommen.
Dieses Problem sollte man zwingend – am besten im Rahmen einer Retro – besprechen und diskutieren, welche Maßnahmen man hieraus ableiten kann. Im Zweifelsfall muss der Moderator hier die Vermittlungsrolle übernehmen, um die Ergebnisse mit dem Product Owner zu diskutieren.
Jeder muss zu Wort kommen
Es gibt sie in jedem Team – die Alpha-Männchen und die stillen Mäuschen. Der Moderator muss darauf achten, dass alle Teilnehmer ins Gespräch eingebunden werden. Im Minimum geht es darum, dass die Konsenzfindung nicht von Einzelnen dominiert, sondern von allen mitgetragen wird. Bei gänzlichen Härtefällen kann man auch über verschiedene Spielarten von der Retro nachdenken (z.B. primär schriftliches Format oder Aufteilung in Zweiergruppen).
Action Items ableiten und umsetzen
Wichtig ist es nicht, die Probleme nur zu identifizieren, sondern sie aktiv zu beheben. Ansonsten sind wir wieder am Anfang unseres Artikels und müssen uns fragen, wozu wir unsere wertvolle Zeit für die Retro überhaupt vergeuden.
Natürlich kann nicht jedes Problem gleich und sofort angegangen werden. Also gilt es auch hier zu priorisieren. Für die Verbesserungen selbst gilt: Möglicherweise hat die Verbesserung Einfluss auf die Velocity, da Kapazität vom Team benötigt wird.
Hier können Scrum Master und Product Owner durchaus auch zu Gegenspielern werden, wenn der eine die Features und der andere die Optimierungen höher priorisiert. Dabei sollte man sich letztlich immer auf einen Teamdialog einlassen, falls es zwingende Rahmenbedingungen gibt und die Featureumsetzung sehr zeitkritisch ist. Sollte das aber anstelle der Ausnahme die Regel sein, kann der Scrum Master für Optimierungen Kapazität blocken und dem Product Owner steht dann letztlich nur noch eine reduzierte Velocity zur Verfügung.
Besser ist, wenn der Product Owner das Verständnis dafür entwickelt, dass die Optimierungen gleichwertig zu neuen Features zu setzen ist und für jeden Sprint auch entsprechende Kapazität vorgesehen werden muss. Hier ist das Team gefragt, denn es muss die Bedeutung und den Mehrwert der Maßnahmen eben auch entsprechend verdeutlichen.
Ein bisschen Abwechslung
Gerade bei Regelmeetings setzt man sehr gern auf bewährte Muster und die Termine laufen nach einem bestimmten Schema ab. Das hat den Vorteil, dass die Vor- und Nachbereitungszeit sehr kurz ist und die Kollegen ohne große Einleitung direkt im Thema sind. Bei einem neuen Team kann man auch prinzipiell mit der Retro zunächst einmal so starten bis die Kollegen das Vertrauen gefunden haben, sich gegenseitig Feedback zu geben und sich die Regeln der Zusammenarbeit etabliert haben.
Aber: Viele Konfliktursachen finden sich nur unterhalb der Oberfläche. Hier braucht man einen kreativen Denkprozess, der sich durch Routine nicht erreichen lässt. Es gibt auch immer wieder konkrete Problemstellungen, bei denen man überprüfen sollte, ob die bisherige Retro-Methode wirklich die angemessene hierfür ist. Wer auf der Suche nach unterschiedlichen Retro-Formaten ist, der kann sich auf https://retromat.org inspirieren lassen. Hier gibt es ein ganzes Sammelsurium an Möglichkeiten, damit die Retro, auch wenn sie immer wieder stattfindet, alles aber nicht langweilig wird.
Fazit
Retrospektiven tragen dazu bei, Probleme gleich zu Beginn zu identifizieren und zu lösen, bevor sie zu unüberwindbaren Blockern werden. Sie tragen maßgeblich zur Teambildung bei, indem sie den Rahmen bilden, damit jeder die Regeln der Zusammenarbeit mitgestalten kann. Außerdem generieren Retrospektiven tiefe Einsichten in Sachverhalte, durch die Ihr Team schneller und effektiver arbeiten wird. Wenn Sie verantwortungsvoll mit den Ergebnissen der Retrospektive umgehen und diese nachverfolgen, wird sich das auch positiv auf die Motivation in Ihrem Team auswirken. Besser kann man Zeit letztlich nicht investieren.
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