Herzlich willkommen zu einer neuen Staffel „Ausgesprochen Digital“, in der sich alles um das „New Normal“ dreht. Gemeinsam mit Dr. Wolfgang Gründinger steigen Kathrin Langkamp und Steffen Wenzel in das Thema der ersten Folge ein und unterhalten sich über die Veränderungen, die das Corona-Virus in Gesellschaft und Wirtschaft in Deutschland angestoßen hat. Was das alles mit Digitalisierung, Weckgläsern und Äxten zu tun hat? Hören Sie selbst.
Im Gespräch mit Wolfgang Gründinger
Dr. Wolfgang Gründinger bezeichnet sich als Zukunftslobbyist, Digitalinnovator und Generationenerklärer. Beim BVDW (Bundesverband Digitale Wirtschaft) war er für die digitale Transformation in der Wirtschaft mit verantwortlich. 2016 erschien sein Buch „Alte Säcke-Politik“, das mit einem der bedeutendsten Buchpreisen im deutschsprachigen Raum „Das politische Buch des Jahres 2017“ von der Friedrich-Ebert-Stiftung ausgezeichnet wurde.
Wollen wir Deutschland in einem Weckglas luftdicht verschließen und danach, wenn die Pandemie vorbei ist, öffnen wir das Glas und alles ist wie vorher? Oder fragen wir uns: Was wollen wir wirklich, wirklich im Leben und wollen wir eine neue Realität?
Dr. Wolfgang Gründinger
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Der Weg zum „New Normal“ – Auswirkungen der Krise auf Gesellschaft & Wirtschaft
Der Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr diesen Jahres verdichtete in vielen Branchen die Entwicklungen. Über Nacht veränderte sich das Nähe-Distanz-Verhältnis zu den Mitmenschen. Wo persönliche Begegnung vermieden wurde, weil das Ansteckungsrisiko zu hoch war, schaffte es die digitale Netzstruktur, eine Verbindung aufrecht zu erhalten: zwischen Arbeitskolleg:innen, Patient:in und Arzt, Enkeln und Großeltern, Kühlschrank und Supermarkt. Digitale Services waren bereits vor der Pandemie relevant, haben in der Krise jedoch ein neues qualitatives Level erreicht. Viele Dinge waren ohne Digitalisierung nicht mehr machbar. Während 22 % der deutschen Belegschaft sich das Home Office einrichtete (so das deutsche Online-Portal für Statistik statista research department), wurden an anderer Stelle Videosprechstunden beim Arzt eingeführt, ließen sich 63 % ihre Lebensmittel das erste Mal nach Hause liefern (so eine Umfrage des Consulting-Unternehmen McKinsey)und eine Corona-Warn-App entstand. Digitalisierung entpuppte sich als systemrelevant und erfährt an vielen Stellen durch die Krise einen Entwicklungsschub.
Digitalisierung darf nie Selbstzweck sein. Digitalisierung und Innovation dienen immer nur dazu, bestimmte Probleme zu lösen.
Dr. Wolfgang Gründinger
In der Wirtschaft zeichnete sich schnell ab, welche Branchen mehr, welche weniger mit den Auswirkungen der Corona-Schutzmaßnahmen zu ringen haben. Unternehmen, die bereits vor der Krise in die Digitalisierung ihrer Prozesse investiert hatten, kamen deutlich schneller wieder auf die Beine, als diejenigen mit weniger prozessautomatisierten Strukturen. Anbieter von mobilen Arbeitsdienstleistungen wie Conferencing- oder Collaboration-Tools verzeichneten einen massiven Nutzungsanstieg ihrer Angebote. Dank ihnen konnte nicht nur der Arbeitsalltag, sondern auch Kultur und Fitness im digitalen Raum stattfinden: Musiker:innen streamten live ihre Jam-Sessions und zum Feierabend versammelten sich die Yoga-Klassen vor ihren Webcams.
Innovationspotenzial entfaltet sich jedoch vor allem bei den Unternehmen, deren Produkte und Dienstleistungen auf dem Markt keine Nachfrager mehr fanden: Erfindungsreichtum war gefragt! Und so finden sich für Messetrennwände neue Stellplätze in Krankenhäusern und Bürogebäuden, um dort die Ansteckungsgefahr zu verringern und den Betrieb weiter zu ermöglichen. Der Lebensmitteleinzelhandel erhielt zum Einräumen der Regale Unterstützung vom Personal einer Fast-Food-Kette. Polstermöbelhersteller schwenkten um auf die Produktion von Mund-Nasen-Schutzmasken und Destillerien verwandeln ihr Hochprozentiges in Desinfektionsmittel.
Mitten im Transformationsprozess zu einer neuen Normalität stellt sich die Frage: Wie wird dieses neue „Normal“ wohl aussehen? Gründinger sieht hier als wichtigste Aufgabe die Veränderung der Führungskultur in Unternehmen. Führungskräfte müssten ihr Skill-Set erweitern, um auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden neu eingehen zu können. Die Arbeitswelt erfährt seit längerem einen Paradigmenwechsel, dem sich Führungskräfte nicht mehr entziehen können. Die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmen zunehmend. Wer seine Mitarbeitenden ins Home Office schickt, muss gleichzeitig eine Führungskultur des Vertrauens etablieren und den Mitarbeitenden mehr Selbstbestimmung in der Arbeitszeitgestaltung einräumen. Die Zukunft der Arbeit sieht Gründinger in hybriden Arbeitsmodellen – eine Kombination aus Präsenzarbeitszeit und mobilem Arbeiten. Insgesamt bestehe die größte Herausforderung für Unternehmen im Innovators-Dilemma: Entscheider in Unternehmen müssten dem Drang widerstehen, in alte Gewohnheiten zurück zu verfallen. Wichtigste Orientierungshilfe für jeden Einzelnen in den Transformationsprozessen während und nach der Pandemie sei die Achtsamkeit – wenn Arbeitszeiten zunehmend flexibel gestaltet werden und eigenverantwortliches Arbeiten an mobilen, dezentralen Arbeitsplätzen zum neuen Status quo wird, ist ihr wichtigstes Beurteilungsmerkmal nicht die Quantität, sondern ihre Qualität. Genauso wie eine stumpfe Axt nur mit hohem Kraft- und Zeitaufwand einen Baum fällt, lässt sich hochwertige Arbeit am besten mit gefüllten Ressourcen, einer geschärften Axt, leisten. Dass die eigenen Ressourcen regelmäßig gefüllt werden, ist Teil des eigenverantwortlichen Arbeitens in der Zukunft.
Es zählt nicht wie lange du am Tag arbeitest, sondern welches Ergebnis du am Ende des Tages erzielst.
Dr. Wolfgang Gründinger
Moderiert wird diese Folge von Kathrin Langkamp, Pressesprecherin der Telekom MMS und Steffen Wenzel, Mitgründer und Geschäftsführer von politik-digital.
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