E-Commerce – eine Branche im Wandel. Von Rekordjahr zu Rekordjahr schien es der Branche immer besser zu gehen, entsprechend optimistisch waren auch stets die Ausblicke für die nahe Zukunft nach dem Jahreswechsel in den letzten Jahren gewesen. Doch diesmal ist es etwas anders. Das Bild ist getrübt, 2022 war ein Jahr geprägt durch die Pandemie, Krisen und Krieg. Das hinterlässt Spuren, so ist die Prognose der IFH Köln beispielweise eher durchwachsen. Erstmals wurden rückläufige Wachstumszahlen im B2C-E-Commerce ermittelt. Wiederum sind die Umsätze nicht eingebrochen, sondern befinden sich weiterhin auf einem hohen Niveau. Hauptproblem ist die bestehende Inflation, die Aufrechterhaltung der Lieferketten und die andauernde Konsumrückhaltung in der Bevölkerung. Daher ist davon auszugehen, dass 2023 die Rekordjahre erstmal nicht übertreffen wird – doch ist das ein Grund, um jetzt pessimistisch in die Zukunft zu schauen? Werfen wir doch mal einen Blick auf die Themen und Trends, die uns voraussichtlich durch 2023 und darüber hinaus im E-Commerce begleiten werden und leiten wir daraus ein Bild für die mittelfristige Zukunft ab.

Artificial Intelligenz (AI) und Machine Learning (ML) weiter im Kommen

Weiterhin auf dem Vormarsch sind KI-Implementierungen bzw. Maschine Learning (ML). Beides wird immer häufiger bereits in Anwendung gefunden und immer mehr Unternehmen testen mittlerweile ausgiebig einen Einsatz. AI-Funktionen werden dabei für ganz verschiedene Anwendungsfälle eingesetzt. Sehr bekannt sind beispielweise die Anwendungen bei der Verkaufsunterstützung. Sehen sich etwa zwei Personen auf einer Seite nach den gleichen Produktarten um, so kommt es dank dem Einsatz von KI dazu, dass unterschiedliche Produkte in den Vordergrund gestellt werden. Je nach bisherigen Suchen der Nutzer und ihrer Einkaufhistorie oder ihres verwendeten Endgeräts erhalten diese so, die durch die KI vorhergesagten, am besten zu ihnen passenden Produktvorschläge. Darüber hinaus wird KI auch im Cross Selling aktiv und empfiehlt Nutzern Produkte, die auf ihre bereits gekauften Waren einzahlen. Für viele Nutzer ist dieser Vorgang nicht neu, besonders im B2C- Bereich können wir die Vorteile der KI-Prognosen schon seit längerem genießen, doch auch da gibt es noch viel Potential nach oben. Wer kennt es nicht, da hat man sich gerade ein neues Produkt im Onlineshop gekauft und dann erhält man trotzdem noch weiter Werbung zum eben diesem Produkt oder fast identischen Konkurrenzprodukten. Des Weiteren finden derartige Anwendungen Einsatz bei der Optimierung des Marketingbudgets, indem der zukünftige Customer Value durch die KI berechnet wird und die Verteilung des Budgets effizient auf potenzielle Kunden eingesetzt wird, die einen hohen zukünftigen Wert versprechen. Weitere Einsatzgebiete finden sich zum Beispiel auch bei der Optimierung des Kundenservices, der Nachfrageprognose, dem personalisierten Bewerben von Produkten/Dienstleistung und vielem mehr. Im B2B- Bereich ist der Einsatz von KI auch nicht mehr neu, aber noch lange nicht so etabliert, wie es im B2C bereits der Fall ist.  Dank neuer umfangreicher und weitgreifender Datenerfassung bieten sich sowohl für Einsteiger als auch erfahrene Unternehmen in diesem Bereich viele spannende Möglichkeiten. (KI-Analysen als Vertriebsmotor!)

Cyber-Security 

Immer häufiger geraten auch Online-Händler in den Fokus der organisierten Kriminalität und sehen sich zunehmend der Gefahr von Cyberangriffen ausgesetzt. Viele Unternehmen unterschätzen noch die Gefahr, die durch Cyberangriffe ausgeht und besonders bei kleinen und mittelständigen Unternehmen fehlt es oftmals noch an Verständnis für den eigenen Schutz, schließlich gehen Hackerattacken meist eher gezielt auf größere Unternehmen. Das diese Ansicht allerdings der Vergangenheit angehört, zeigt die Entwicklung der Cyberangriffe, bei denen in letzter Zeit immer mehr auf automatisierte Angriffe gesetzt wird, weshalb zwangsläufig auch kleinere Unternehmen betroffen sind. Wie sich KMUs dem Thema Cyber-Security zuwenden können beschreibt die Broschüre des BSI

Dabei geht es bei den Angriffen teilweise um klassische Erpressertrojaner (Ransomware), die versuchen den Geschäftsbetrieb der Händler zu unterbrechen oder lahmzulegen, andererseits aber auch um Betrug, das Erschleichen von vertraulichen Informationen und Zugangsdaten von Kunden, mit denen mitunter auf deren Nutzerkonten im Anschluss Waren bestellt werden. Oftmals werden Daten aber auch einfach verändert oder auf anderen Internetseiten veröffentlicht. 

Einer Studie von Yeswehack (Mitglied des Cyber-Sicherheitsrat Deutschland) zufolge, sind Händler zwar immer besser für diese Risiken gerüstet, aber gerade bei kleineren Händlern gibt es noch Nachholbedarf. Sieben von zehn der befragten Unternehmen nutzen demnach IT-Architektur- und IT-Security-Lösungen, sowohl auf Hardware als auch auf Software basierte. Rund die Hälfte der Befragten setzten auf regelmäßige Sicherheitsschulungen für neue und bestehende Mitarbeitenden. Doch gerade Bug-Bounty-Programme zur Schwachstellensuche könnten im nächsten Jahr zu verbessertem Schutz der Unternehmen beitragen, glaubt Phil Leatham, Deutschland-Geschäftsführer bei Yeswehack.

Optimierung der Lieferketten – ein Maximum an Flexibilität

Damit Handelspartner einfacher eingebunden werden können und Abläufe transparenter werden, braucht es die Automatisierung aller Prozesse. Ein Kraftakt, der nur mithilfe von künstlicher Intelligenz bewältigt werden kann. Besonders relevant wird diese Entwicklung für mittelständige Unternehmen, da diese die Entwicklung in ihrer IT-Strategie in Richtung Agilität und Verlagerung in die Cloud für mehr Flexibilität oftmals noch nicht abgeschlossen haben. Großunternehmen und Konzerne sind hier bereits weiter fortgeschritten – Ausnahmen gibt es sicherlich trotzdem noch. Der Umsatz wird dieses Jahr maßgeblich von der Verfügbarkeit der Produkte abhängig sein. Galt lange Zeit das Entscheidungskriterium des geringeren Preises, besonders im B2C- Bereich, ist es heute vor allem die Lieferbarkeit bestimmter Produkte. Ein Beispiel ist aktuell die Situation im Bereich von Computer Hardware wie Grafikkarten und Prozessoren.

Predictive Maintenance

Um Ausfälle zu vermeiden und die Verfügbarkeit im Shop konstant ermöglichen zu können, spielt auch Predictive Maintenance eine entscheidende Rolle. Unter dem Schlagwort versteckt sich der auf Big Data basierende Ansatz, vorrausschauend und proaktiv Maschinen zu Warten, in dem deren Daten und Werte permanent erfasst und ausgewertet werden. So kann frühzeitig ein drohender Ausfall erkannt und behoben werden. Außerdem eignet sich dieser Ansatz, um unnötige Wartungskosten zu vermeiden – wenn eine Maschine nicht gewartet werden muss/sollte, dann kann dies anhand der Daten abgelesen und eine Verschwendung von Mitteln umgangen werden.  E-Commerce Plattformen sind mittlerweile in der Lage das ERP-System zu integrieren, so kann direkt eine Störungsmeldung bzw. ein Warnhinweis erfolgen, sobald ein kritischer Zustand erreicht ist. Mit E-Commerce kann der gesamte Predictive Maintenance-Prozess weiter automatisiert werden, indem die Software automatisch die zu ersetzenden Teile bestellt oder eine Wartung in Auftrag gibt, sodass das Unternehmen die Ersatzteile zum richtigen Zeitpunkt erhält und der Kunde keine Ausfälle zu spüren bekommt (Mehr zu E-Commerce Plattformen finden Sie u.a. in unserem User Guide B2B Shop-Optimierung). 

Dynamic Pricing

Als abschließender Trend für 2023 lässt sich Dynamic Pricing ausmachen. Die Idee, den optimalen Preis zum richtigen Zeitpunkt anzubieten ist nicht neu. Doch gerade im B2B Segment bieten sich durch die Implementierung einer dynamischen Preisgestaltung neue Chancen. Ergeben sich doch besonders im B2B aufgrund schwankender Einkaufspreise viele Herausforderungen bei der Preisfindung, könnte hier die automatisierte Preisgestaltung helfen, um die zusätzlichen Kosten direkt auf die Kunden umzuleiten. Bis zuletzt taten sich B2B-Händler schwer damit, schließlich gilt weiterhin der Grundsatz – B2B-Geschäft ist in erster Linie ein „People Business“, doch wenn uns die letzten Monate etwas gezeigt haben, dann, dass es aufgrund der aktuell hohen Volatilität der Märkte immer schwieriger wird, die Entwicklung der Preise und Kosten richtig einzuschätzen, weshalb ein Einsatz von Dynamic Pricing immer sinnvoller wird. Das bedeutet nicht, dass der Trend im B2B dazu übergeht, nur noch auf eine automatisierte Preisgestaltung zu setzten, sondern vielmehr das eine Kombination aus menschlicher und KI basierter Entscheidung das wohl gängige Modell der mittelfristigen Zukunft werden wird.

Wohin geht die E-Commerce Reise 2023?

Anhand der voraussichtlichen Trends lässt sich gut sehen, dass das Jahr 2023 viele Herausforderungen, aber auch viele Chancen mit sich bringen wird. Ein neues Rekordjahr ist zwar nicht zu erwarten, doch ein Abkippen im E-Commerce-Bereich in eine Krise ist ebenso nicht ersichtlich. Neben einer konstanten Umsatzerwartung auf einem gleichbleibend hohen Niveau ist das neue Jahr vor allem ein Jahr, in dem die Weichen für die Zukunft gestellt werden. Es bietet sich die Chance verpasste Innovationen aufzuholen und gegenüber der Konkurrenz den entscheidenden Schritt zu gehen, um optimistisch auf die kommenden Jahre zu blicken und vor allem um gut vorbereitet zu sein auf weitere unvorhersehbare Marktentwicklungen.