Eine Verkaufsmethode, die über die Jahre immer mehr an Bedeutung gewonnen hat, ist das sogenannte Live Video Shopping. Vielfach ist es auch unter den Begriffen „Live Shopping“, „Virtual Shopping“, „Live Commerce“ und „Live Stream Shopping“ bekannt. Das Prinzip dahinter ähnelt sehr stark dem altbekannten Modell des Teleshoppings, wie man es von QVC oder HSE24 kennt, bei dem ein Moderator Produkte vorstellt, die während einer Fernsehsendung gekauft werden können. Im Gegensatz dazu wird Live Video Shopping vor allem über den eigenen Shop oder die eigene Webseite und über Live-Streaming-Apps oder soziale Plattformen ausgespielt. Die Moderatoren sind in diesem Fall meist Mitarbeiter des Unternehmens oder auch Influencer, die die unterschiedlichen Produkte oder Dienstleistungen live und somit in Echtzeit präsentieren und ihre bisherigen Erfahrungen damit detailliert schildern, beispielsweise wie diese richtig genutzt werden können und wie der Kunde von Ihnen profitieren kann. Die Zuschauer können die vorgestellten Produkte während des Live Streams dann auch direkt und ohne großen Aufwand kaufen.
In China boomt die Branche, jeder zweite Online-Einkauf erfolgt dort im Rahmen von Live Shopping Events. Die Unternehmensberatung McKinsey schätzt den Umsatz im Jahr 2022 hier auf ganze 423 Milliarden Dollar.
Was sind die Vorteile des Live Video Shoppings?
Die Bedürfnisse der modernen Kundschaft stehen besonders im Vordergrund, indem das Format die persönliche Beratung wieder in den Fokus stellt und Informationen mit Unterhaltung verknüpft. Die Kunden können vor dem Kauf direkt mit dem Anbieter interagieren, Fragen stellen, an Umfragen teilnehmen oder Kommentare hinzufügen. Zudem sind die persönlichen Produktbeschreibungen meist ausführlicher als die knappen Produkttexte im Shop. Besonders beliebt sind sogenannte Q&A-Sessions, also Frage-Antwort-Sessions, in denen diverse Kundenanliegen besprochen und somit auch der Verkaufsprozess beschleunigt werden kann.
Außerdem sind die nahbaren, authentischen Inhalte vielseitig einsetzbar, indem die Aufnahmen beispielsweise auf den entsprechenden Produktdetailseiten eingebunden, als Video-on-Demand angeboten oder auf den eigenen sozialen Kanälen geteilt werden können. Sie sind aber nicht nur auf das Shoppingerlebnis begrenzt, sondern bieten außerdem Möglichkeiten für den Aufbau einer Marke (Branding), den Aufbau von digitalen Gruppen (Community Building) oder andere ganz neue Formate an.
Zudem verkürzen die Live Video Shopping – Events die Lieferkette, indem die präsentierten Produkte den Kunden direkt aus dem Lager erreichen können und senken zudem die Marketingkosten für diese Produkte. Der Live-Charakter des Formats erhöht auch die Glaubwürdigkeit des Produkts und des Unternehmens, was sich auch positiv auf die Retourenquote auswirken kann.
Stehen den Vorteilen auch Nachteile gegenüber?
Ein Nachteil von Live Video Shopping besteht vor allem in den hohen Kosten, da diese speziell in Europa rund um das Internet und Streaming enorm hoch sind. Aber auch die ressourcenintensive Produktion ist ein Kostentreiber, da die Mehrheit der Zuschauer eine sehr gute Audio- und Videoqualität erwarten. Neben hochwertigem Equipment muss deshalb auch ein entsprechender Schallschutz und ein Green-Screen-Hintergrund erworben werden oder vorhanden sein.
Zudem hat speziell die ältere Zielgruppe (50+) kaum Erfahrungen mit Livestream-Angeboten, weshalb für diese eine intensivere Kundenaktivierung notwendig ist. Dies treibt aber auch den nötigen Aufwand in die schnelle und einfache Vermittlung des Mehrwertes von Live Video Shopping in der Kundenkommunikation weiter nach oben.
Welche Formate gibt es?
Das am häufigsten verwendete Format ist One-To-Many, bei dem ein Unternehmen möglichst viele Zuschauer zu einem zuvor beworbenen Zeitpunkt und Thema mit dem Stream erreichen will. Diese Art von Veranstaltung präsentiert in der Regel Produkte und bietet einen Gastgeber, Gastauftritte und Sonderaktionen. Über den Chat können die Zuschauer mit dem Unternehmen in Echtzeit interagieren und beispielsweise Fragen stellen oder Kommentare hinterlassen, die dann auch während der Veranstaltung beantwortet werden.
Im Gegensatz dazu steht das Format One-to-One, dass hauptsächlich bei sehr großen Warenkörben, komplexen und erklärungsbedürftigen Produkten und im Luxussegment Anwendung findet. Ein Kunde bucht hierzu einen Termin und bekommt eine Einzelberatung in Form einer Eins-zu-Eins-Sitzung.
Eine weitere Möglichkeit stellt das One-to-Group-Format dar, bei dem im Vorfeld Tickets für ein exklusives Shopping-Event an ausgewählte Kunden verkauft oder vergeben werden. Zum festgelegten Zeitpunkt kann diese exklusive Gruppe dann beispielsweise bestimmte Produkte vor allen anderen erwerben.
Was trägt zum Erfolg des eigenen Live Video Shopping-Formats bei?
Folgende Faktoren können Einfluss auf den Erfolg haben:
- die Strategie ist der Schlüssel – das Unternehmen sollte sich im Vorfeld über die strategischen Ziele bewusst sein.
- die richtige Plattform und den richtigen Technologieanbieter auswählen – ein wichtiger Punkt ist die Auswahl der passenden Plattform wie die eigene Webseite oder die eigenen Social-Media-Kanäle und des passenden Technologieanbieters. Dabei sollte der Fokus nur auf die Technologie eines Kanals gesetzt werden und die Technik auch ausfallsicher sein, um eine reibungslose Live-Übertragung zu gewährleisten.
- auf den passenden Moderator setzen – um die Aufmerksamkeit der Zuschauer möglichst lange zu halten, sollte auf authentische und charismatische Moderatoren gesetzt werden, die zur Marke und dem Unternehmen passen. Zudem sollten sie mit dem Produkt vertraut sein und darüber Bescheid wissen, um etwaige Fragen beantworten zu können. An diesem Punkt kann auch auf Influencer gesetzt werden, die den Unterhaltungswert des Streams steigern können.
- die Produkte im Vorfeld gezielt bestimmen – es sollten Produkte ausgewählt werden, die sich gut in einem Video präsentieren lassen. Zudem sollte man nicht zu viele Produkte vorstellen, um die Beitragszeit nicht unnötig zu strapazieren.
- die Kunden gezielt aktivieren – damit Kunden auf die Veranstaltung aufmerksam werden, sollte vorab gezielt Werbung betrieben werden.
- Ergebnisse auswerten – Kennzahlen wie die Live-Zuschauerzahlen, wiederholender Traffic und Zuschauer-Interaktionen sollten fortlaufend erfasst und auch ausgewertet werden. Dies ermöglicht es, entsprechende Schlüsse daraus zu ziehen und am Ende auch den Erfolg des Formats zu verbessern.
Ein Vergleich der technischen Lösungen
Insofern die Inhalte bei Live-Streaming-Apps oder sozialen Plattformen geteilt werden, hat dies erst einmal den Vorteil, dass die Kunden bereits mit der jeweiligen Plattform vertraut sind und auch eine größere Kundenreichweite erreicht werden kann. Außerdem ist eine erweiterte Analyse des Kundenverhaltens möglich. Dem gegenüber steht aber die niedrigere Streaming-Qualität, die geringere Kontrolle über die Produktpräsentation und ggf. fehlende Checkout-Out-Funktionen. Bei Instagram Live Streams findet beispielsweise ein Medienbruch statt, da die Produkte unter dem Stream als Links platziert werden und sobald der Kunde auf einen der Links klickt, verlässt er den Stream.
Die Integration in den eigenen Shop oder die eigene Webseite bietet die Vorteile, dass man die volle Kontrolle hat, die Streaming-Qualität höher ist und man flexibel reagieren kann, zum Beispiel in Form von spontanen Veranstaltungen. Eine Integrationsmöglichkeit wäre, den Stream auf einer Landingpage via iFrame einzubinden und über die Server des Tool-Partners zu hosten. Im Stream können die Zuschauer dann die Produkte direkt in einen temporären Warenkorb legen, der während des Checkout-Prozesses an den Shop weitergeleitet und somit der Bestellprozess direkt im Shop abgebildet wird. In diesem Fall ist jedoch die Reichweite auf die eigenen Kunden beschränkt und es entstehen ggf. zusätzliche Marketingkosten zur Steigerung des eigenen Bekanntheitsgrades. Außerdem sind die Kosten für den Aufbau und das Betreiben der Infrastruktur nicht zu vernachlässigen und man ist zudem auch für deren digitale Barrierefreiheit selbst verantwortlich.
Anbieter technischer Lösungen
Die beliebtesten Anbieter von Live Video Shopping-Plattformen oder -Dienstleistungen sind:
Digital Sales Rooms von Shopware
„Digital Sales Rooms“ ermöglicht es, interaktive Präsentationen mit Kunden gemeinsam durchzuführen, um die bestmögliche Beratung anzubieten. Es liefert dafür einen digitalen Verkaufsraum, in den Kunden eingeladen werden können und somit eine Bühne für die eigenen Produkte, die man über Produkt-Templates bei Bedarf auch je Kunde individuell erstellen kann. Mit Digital Sales Rooms kommt man im Rahmen der Video-Konferenz in den persönlichen Austausch mit dem Kunden, um als persönlicher Verkaufsberater Vertrauen bei den Kunden zu schaffen. Einer der Vorteile besteht vor allem darin, dass es eine interaktive Präsentation ist, wodurch man immer sehen kann, was der Kunde gerade macht, beispielsweise welche Produkte er sich gerade ansieht, oder ob er schon Produkte zu seinem Merkzettel oder Warenkorb hinzugefügt hat. Darüber hinaus ist sie auch sofort kundengerecht anpassbar, um direkt auf neue Kundenanforderungen reagieren zu können, da man während des Streams Zugriff auf die Produkt-Datenbank hat und somit die Präsentation in Sekundenschnelle um neue Produkte erweitern kann. Zudem besteht für den Kunden jederzeit die Möglichkeit, über den Warenkorb zur Kasse zu gehen und die gewünschten Produkte leicht und schnell direkt zu erwerben.
Eine weitere Möglichkeit ist eine sogenannte „Self-Guided Shopping“-Präsentation, die im Prinzip ein maßgeschneiderter Produktkatalog ohne Live-Videoberatung ist. Dadurch können die Kunden selbst entscheiden, wann und wo sie diesen ansehen möchten. Auf diesem Wege könnte man beispielsweise im Vorfeld zu einem Termin eine Produktpräsentation erstellen und an den Kunden versenden, damit sich dieser bereits einen Überblick über die ggf. auch neuen Produkte verschaffen kann.
Um Digital Sales Rooms nutzen zu können, benötigt man zunächst die Digital Sales Rooms-Erweiterung des Beyond-Plans in Verbindung mit der PWA. Des Weiteren ist eine Instanz des Broadcast Messengers Mercure erforderlich, da dieser für die Synchronisation der (Inter-)Aktionen zwischen dem Moderator und dem Kunden zuständig ist. Zusätzlich ist für die Einbindung der Videofunktion ein Account bei daily.co erforderlich.
Wie das Ganze aussehen kann, wird von Shopware in einem YouTube-Video gezeigt:
Gibt es Alternativen, wenn ich noch nicht in Live Video Shopping investieren kann?
Wer noch nicht in Live Video Shopping investieren kann, kann seine Produktpräsentationen durch 360°-Bilder oder Videos ergänzen. Auch damit erhält die Kundschaft einen besseren Eindruck vom Produkt als durch einzelne Fotos und Beschreibungen allein.
Wir sind Digitalisierungs-Experten aus Leidenschaft und vermitteln in unserem Blog einen Einblick in aktuelle Trends und Themen rund um Digitalisierung, neue Technologien und die Telekom MMS.