Das Metaverse – für die einen ist das Thema schon tot und sie sehen darin keine Relevanz für die Retail-Branche, für andere ist es das neue Internet und ein Bereich, den es zu erschließen gilt, um Touchpoints in der Customer Journey zu erweitern. Telekom MMS-Experte Sascha Nehm beleuchtet für uns die praktische Relevanz des Metaverse für die Retail-Branche und wie Händler es nutzen können. 

Zum Einstieg schauen Sie sich die folgende Abbildung an. Welches dieser Bilder verbinden Sie mit dem Thema Meta- bzw. Retailverse?

In der Telekom MMS wurden 100 Kunden/-innen befragt mit dem Ergebnis, dass über zwei Drittel der Befragten die Person mit der VR-Brille am ehesten mit dem Thema Metaverse in Verbindung bringen. Dies zeigt das grundlegende Problem, warum das Metaverse bislang wenig Beachtung im Handel erfährt – die Geräte, mit denen die Meisten täglich arbeiten (Handy, Laptop) spielen für viele in Hinblick auf das Metaverse keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Schaut man sich eine gängige Definition an, lässt sich daraus auf den ersten Blick keine wirkliche Revolution für den Handel ableiten:

Das Metaversum oder englisch Metaverse ist ein Konzept, bei dem ein digitaler Raum durch das Zusammenwirken virtueller, erweiterter und physischer Realität entsteht. Hauptaspekt ist es dabei, die verschiedenen Handlungsräume des Internets zu einer Wirklichkeit zu vereinigen.1

Trendforschende sehen im Metaverse Chancen für den Handel, um den Kontakt zu dessen Kundschaft auch im virtuellen Bereich zu intensivieren und nennen diese Entwicklung “Retailverse”.

Das Metaverse ermöglicht es Marken und Handelsunternehmen, die Konsumierenden dort zu treffen, wo sie sind, und Teil ihrer Lebensrealität zu werden. In Zukunft liegt der Fokus auf real-digitalen Erfahrungen und Erlebnissen, die echte Nähe schaffen, denn der aktuelle E-Commerce ist hochgradig effizient, aber er leidet unter der fehlenden sozialen Funktion, die dem klassischen Handel innewohnt.2

Was ist daran nun revolutionär? Schließlich setzt der Handel schon seit Jahren E-Commerce und Social Media ein und auch die Verbindung von analoger und digitaler Welt zum Beispiel durch Click & Collect wird bereits praktiziert. Ist das Retailverse nun eine Revolution oder eher eine Evolution?

In der Retail-Branche gab es immer wieder evolutionäre Stufen, welche auf technologischem Fortschritt beruhten. Das Retailverse ist als Upgrade des E-Commerce zu verstehen, in dem Informationen digital in die reale Welt eingebunden werden – die sogenannte Mixed Reality. Das Metaverse wird, wenn es so umgesetzt, wie von den Anhängern prognostiziert wird, zu einer Parallelwelt, in der man sich frei bewegt, ein Leben führt und Produkte kauft. Händler können ihrer Kundschaft damit ein neues Einkaufserlebnis bieten, um sie langfristig an sich zu binden. Das geht natürlich mit sich ändernden Bedürfnissen und Erwartungen der Kundschaft einher. Daher stehen wir gerade am Übergang zur Mixed Reality und dem Retailverse.

Was man heute tun kann, um revolutionäre, neue Einkaufserlebnisse für seine Kundschaft zu schaffen.

Inhaltlich und prozessual wird sich vermutlich nicht viel verändern, sehr wohl aber die Art und Weise wie mit Kunden/-innen interagiert wird und wie man auf sie zugehen kann. Unternehmen sollten sich nun Gedanken machen, was dies für sie bedeutet und wie sie diesen Weg gehen wollen. Die Themen lassen sich in drei Kategorien unterteilen:

1. Verbesserte Erfahrungen durch immersive Erlebnisse an digitalen Touchpoints

Verbesserte technische Möglichkeiten erlauben eine immer stärkere Immersion, also den Effekt, dass virtuelle Inhalte als real empfunden werden. Kunden/-innen verspüren instinktiv den Drang Produkte anfassen und mit ihnen interagieren zu wollen. Ein einfaches Beispiel sind 3D-Produktansichten. Gemeint sind 3-dimensionale Darstellungen, die es Kunden/-innen ermöglichen, ein Produkt von allen Seiten zu betrachten. Die Qualität dieser Darstellung hat sich deutlich verbessert und durch interaktive Elemente können auch Funktionen der Produkte sichtbar gemacht werden, wie zum Beispiel die Sitzlehnenverstellung eines Sessels. In Verbindung mit AR-Funktionen, die es erlauben das Produkt in die vorgesehene Umgebung einzufügen, können sich Interessenten eine viel genauere Vorstellung vom Endergebnis machen und prüfen, wie beispielsweise der Sessel in der eigenen Wohnung wirkt. Was zuerst wie eine nette Spielerei wirkt, kann für Kunden/-innen der entscheidende Impuls für einen Kauf sein. Ist es das Produkt, was ich brauche, was ich will, und was zu meinen Gegebenheiten passt? Kunden/-innen, die vorab eine gute Vorstellung vom Produkt erhalten, retournieren die Waren wesentlich seltener. Händler und Händlerinnen können damit ihre Retourenquote und die Kosten senken. In einigen Fällen konnte die Quote bei Retouren-intensiven Produkten um mehr als die Hälfte verringert werden. Nicht zuletzt sind weniger Rücksendungen auch besser für die Umwelt.
Neben einem besserem Kauferlebnis für Kunden/-innen bringen solche Funktionen auch eine Stärkung der Differenzierung zum Wettbewerb mit sich. Unsere Erfahrungen zeigen außerdem, dass sich die Verweildauer durch den Einsatz derartiger Funktionen mehr als verdreifacht hat. Der/die Kunde/-in beschäftigt sich länger mit dem Produkt, was zu einer Erhöhung der Kaufwahrscheinlichkeit führt.

2. Neue Erfahrungen durch virtuelle Erlebnisse auf der stationären Fläche.

Virtuelle Erlebnisse? Da kann der/die Kunde/-in doch gleich in meinen Onlineshop gehen. Dieser Gedankengang liegt nahe, aber man sollte nicht die Mehrwerte stationärer Flächen außer Acht lassen. Viele Kunden/-innen mögen den Besuch im Geschäft. Sie wollen die Produkte testen und sie anfassen. Und auch hier lassen sich die neuen Technologien nutzen. Gefällt dem/der Kunden/-in beispielsweise ein Produkt, aber die Farbe ist unpassend, so kann er/sie sich direkt im Geschäft weitere verfügbaren Farbkombinationen über sein/ihr eigenes Gerät virtuell anschauen. Firmen können so auch weitere Informationen zum Produkt zur Verfügung stellen, wie tagesaktuelle Verfügbarkeiten und Preise. Außerdem ermöglicht das Retailverse die Ausstellung des restlichen, nicht im Geschäft ausgestellten Onlinesortiments. Anstatt nur zu schreiben, wie viele Produkte noch im Onlineshop auf den/die Kunden/-in warten, können diese bereits im Geschäft durch virtuelle Showrooms gezeigt werden.

3. Neue Touchpoints für neue Erfahrungen.

Das Retailverse kann Ihre Customer Journey erweitern. Ein Beispiel ist das sogenannte Shop-the-Conversation – dabei springt der Shoppende aus dem Onlineshop direkt in eine virtuelle Welt ab. Dort begegnet er/sie Avataren, welche entweder durch Fachkräfte aus den Märkten oder durch Chatbots mit dem/der Kunden/-in interagieren. Diese sind in der Lage Verkaufsgespräche zu führen, zu beraten und durch das Sortiment zu führen und individuell auf Bedürfnisse zu reagieren. Die Shopping-Experience der Kundschaft wird deutlich verbessert, da sie ihr Anliegen in eigenen Worten beschreiben können. Onlineberatende können direkt nachfragen und sich so schnell ein Bild des Nutzungsverhaltens, der Budgetvorstellung und sonstiger Wünsche machen. Zusätzlich besteht für die Beratenden die Möglichkeit, direkt weiterführende Termine oder Gespräche in einem Geschäft zu vereinbaren. Während des Verkaufsgespräches kann im Hintergrund bereits ein Warenkorb angelegt werden, welcher am Ende des Gesprächs nur noch durch den Kauf abgeschlossen werden muss. Dieses Modell ist besonders sinnvoll bei Handelstreibenden mit großer Produktvielfalt, deren Kundschaft oft mehrere Produkte in den Warenkorb legen.

Die folgenden, zufällig ausgewählten Beispiele zeigen, dass die drei Kategorien der neuen Shopping-Experiences nicht nur Vision oder Konzeptpapier sind, sondern dass sich Händler und Händlerinnen bereits auf dem Weg ins Retailverse gemacht haben und ihre ersten Erfahrungen sammeln.

Wie fängt man jetzt am besten an?

Manchmal zeigt sich der Weg erst, wenn man anfängt ihn zu gehen!

Zunächst ist es sinnvoll, sich mit einer Retailverse-Enterprise-Strategie auseinanderzusetzen. Das heißt, welches Einkaufserlebnis möchte ich meiner Kundschaft in den nächsten Jahren bieten und was erwartet diese von mir?
Im nächsten Schritt sollte man sicherzustellen, dass die Kundschaft einen einfachen Zugang zu diesen Einkaufserlebnissen hat. Zum einen über die Medien und Geräte, welche die Kunden/-innen bereits nutzen, auf der anderen Seite ist es wichtig sie aufzuklären. Viele bieten VR- und AR-Funktionen an, ohne denr Kundschaft zu vermitteln, welche Vorteile sie erwarten können, oder setzen sie gar nicht erst in Kenntnis darüber, dass sie neue Funktionen und damit Einkaufserlebnisse anbieten.
Schaffen Sie sich ein System, das die Fähigkeiten ihrer Mitarbeitenden nutzt, so dass das Retailverse genauso einfach zu konfigurieren ist wie heute der Onlineshop. Mitarbeitende sollten das System einfach bedienen können und gegebenenfalls weitergebildet werden. Achten Sie darauf, dass das System zukünftig leicht ausbaubar ist.
Das setzt voraus, das man sich in der Retailverse-Enterprise-Strategie Gedanken über die zukünftige Plattform gemacht hat. Welche Anforderungen müssen in meiner Lösung abgedeckt werden? Solche Anforderungen können zum Beispiel kurze Ladezeiten sein, die Möglichkeit das Retailverse auf einem beliebigen Gerät, ohne jegliche Installation zu nutzen oder ein integriertes Content-Management-System. Darüber hinaus sollte darauf geachtet werden, dass neben der Anforderungserfüllung auch die Integration in die bestehende IT-Infrastruktur nahtlos durchführbar ist.

Wenn Sie die genannten Punkte beachten, können Sie Ihre Reise ins Retailverse erfolgreich starten. Nutzen Sie einen Proof-of-Concept, um herauszufinden welche individuellen Herausforderungen für Ihr Unternehmen bestehen und skalieren Sie dann Ihr Geschäft. Es kommt nicht darauf an, wie groß der erste Schritt ist, sondern in welche Richtung er geht.

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Vortrag von Sascha Nehm in der Aufzeichnung vom ECC Forum Digital am 21.März 2023